An diesem Abend, nach seiner Rückkehr aus Monterrey, entdeckte Rafael eine scheinbar idyllische Szene: Bárbara und Doña Marta aßen zusammen zu Abend und unterhielten sich freundlich. Er bemerkte die Spuren am Arm seiner Mutter nicht, wie sie kaum ihr Essen berührte, oder die kaum verhohlene Angst in ihrem Gesicht, jedes Mal, wenn Bárbara sich näherte.
“Wie war dein Tag?” fragte Rafael und küsste seine Mutter auf die Stirn.
“Wunderbar, meine Liebe”, antwortete Barbara sofort. “Deine Mutter und ich hatten eine tolle Zeit, nicht wahr, Mama?”
Doña Marta schenkte ihr ein gezwungenes Lächeln, das nicht in ihre Augen kam. “Ja, mein Sohn, es war ein unvergesslicher Tag”, log sie, und das tat er, aber nicht aus den Gründen, die Rafael sich vorgestellt hatte: unvergesslich wegen der Angst, des Schmerzes und des wachsenden Gefühls, in einem Teufelskreis gefangen zu sein, aus dem sie nicht entkommen konnte.
Die Tage vergingen und die Lage verschlechterte sich nur noch. Barbara wurde mutiger und grausamer. Eine Woche vor der Hochzeit war die Spannung im Herrenhaus fast greifbar. Doña Marta war dünner geworden; Seine dunklen Ringe unter den Augen verrieten schlaflose Nächte, und seine Hände zitterten unaufhörlich. Marina verbrachte die meiste Zeit an seiner Seite, ohne vollständig zu verstehen, was vor sich ging; Sie wusste nur, dass sie sie beschützen musste.
“Hör auf!” Rafaels Schrei hallte mit solcher Wucht durch das Herrenhaus, dass die Wände bebten. Barbara erstarrte, ihr Fuß noch oben. Sie drehte langsam den Kopf, und als sie Rafael am Eingang zum Flur sah, weiteten sich ihre Augen vor völliger Angst. Es war nicht die Angst, entdeckt zu werden, sondern die Angst, in Rafaels Augen etwas zu sehen, das sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Eine berechtigte Wut, eine tiefe Enttäuschung und noch schlimmer: ein absoluter Ekel. Rafael schritt zügig über den Korridor, ohne Barbara anzusehen. Sein Blick war auf seine Mutter gerichtet, die blutüberströmt und in Tränen auf dem Boden lag. Er kniete sich neben sie mit einer Sanftheit, die scharf im Kontrast zu der Wut stand, die in ihm aufstieg.
“Mama, oh mein Gott! Was hat er dir angetan? Ihre Stimme zitterte, als sie sanft das verletzte Gesicht ihrer Mutter berührte, um nach blauen Flecken und Blut zu suchen.
“Rafael!” versuchte Barbara mit hoher, verzweifelter Stimme zu sagen. “Rafael, ich kann es erklären… sie fiel, ich wollte ihr nur helfen… »
Rafael drehte langsam den Kopf und traf Barbaras Blick. Er machte einen Schritt zurück, entsetzt über das, was er sah. Es gab keine Liebe mehr, kein Vertrauen mehr. Nur eine stille und schreckliche Frage blieb: Wer bist du wirklich?
“Marina!” rief sie, als sie hinter der Wand hervorkam, an der sie gestoßen worden war. “Ich habe alles gesehen, Rafael. Und das ist nicht das erste Mal. Das geht schon seit Monaten so. »
“Monate?” Rafaels Stimme war nur ein ersticktes Flüstern. Er sah seine Mutter an und sah zum ersten Mal wirklich. Er sah, wie dünn sie geworden war, er sah die blauen Flecken an ihren Armen, kaum verborgen unter ihrem Mantel trotz der Hitze, er sah die absolute Angst in ihren Augen. Er lebte Monate des stillen Leidens, das sich in jedes Merkmal seines Gesichts eingravierte.
“Sohn”, sagte Doña Marta, unfähig, ihre Tränen zurückzuhalten, “ich habe versucht, es dir zu sagen, aber sie sagte, sie würde mich in eine Anstalt in die Schweiz schicken, dass du mich nie finden würdest, dass sie sagen würde, ich sei verrückt. Sie hat mir gedroht.
Etwas ist in Rafael zerbrochen. Er half ihr, sich an die Wand zu setzen, dann wandte er sich mit einem Ausdruck an Barbara, den sie nie vergessen würde.
“Geh ihr nicht zu nahe!” rief Rafael. Seine Stimme war scharf wie ein Messer. Barbara versuchte, sich zu erklären, die Hände ausgestreckt in einer flehenden Geste, die sie auswendig gelernt hatte: “Rafael, lass mich es dir erklären…” »
“Nein!” Ihr Schrei war so heftig, dass Barbara stolperte und zu Boden fiel. “Du hast mich getäuscht. Du hast meiner Mutter wehgetan, der Frau, die mir das Leben geschenkt hat und die nie jemandem wehgetan hat. »
Mit zitternder, aber selbstbewusster Hand holte sie ihr Handy heraus und begann anzurufen. Sie sagte alles ab: das Bankett, die Kirche, den Fotografen, die Flitterwochen. Jedes Wort, das sie sagte, war schmerzhafter als ein Schrei. Barbara brach weinend auf die Knie.
